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Lesetipps – Politik und Gesellschaft

Ein interesantes Buch von zwei international angesehenen französischen Soziologen. Boltanski widmet sich besonders Fragen von Moral und Politik.

“Bereicherung. Eine Kritik der Ware”
von Luc Boltanski und Arnaud Esquerre
Suhrkamp 2018

Museen, Kunst, Luxusgüter, Immobilien, Tourismus – für die Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre sind dies zentrale Felder einer neuen Ökonomie der Anreicherung, die zunehmend unsere Gesellschaften prägt und vor allem der Bereicherung der Reichen dient. In ihrem brillanten Buch, das seit seinem Erscheinen Furore macht, analysieren sie diesen neuen Kapitalismus.

Sein Ziel ist nicht mehr die industrielle Warenproduktion, die in die Entwicklungs- und Schwellenländer ausgelagert wurde, sondern die Anreicherung von Dingen, die bereits da sind. Der Wert von Waren sinkt normalerweise mit der Zeit, in der Anreicherungsökonomie ist das jedoch umgekehrt: Er steigt. Die Ware – das Kunstwerk, die Uhr, der Urlaubsort oder die Immobilie – wird dabei mit einer bestimmten Geschichte oder Tradition versehen, die sie anreichert und teuer macht. Boltanski und Esquerre verfolgen den Aufstieg dieser neuen Ökonomie, die auf den Industriekapitalismus seit den 1970er Jahren folgt, und zeigen, wie sie von den Medien, den Hochglanzbeilagen und Kunstmagazinen, aber auch von der Politik befördert wird und neue soziale Rollen schafft: Rentiers und Bedienstete, Kreative und Zukurzgekommene.
https://www.suhrkamp.de/

 

und ein lesenwertes Buch gegen den Wahn alles regulieren zu wollen und ständig neue Gesetze zu fordern.

Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine
Angst essen Freiheit auf – Warum wir unsere Grundrechte schützen müssen
Verlag: wbg Theiss

Anlässlich des 70. Jubiläums des Grundgesetzes widmet sich die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrem Buch dem rechtlichen Fundament unserer Demokratie. In Zeiten der Digitalökonomie und datengetriebener Sicherheitspolitik stellt Frau Leutheusser-Schnarrenberger die Frage, ob wir uns der Bedeutung und Wichtigkeit der Grundrechte noch bewusst sind – oder ob wir diese nicht bereits im Sinne mutmaßlicher Sicherheitsgefährdungen aufgegeben haben. Denn im rechtsstaatlichen Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit bleibt die Freiheit leicht auf der Strecke.
Ihr Fazit:
Die Grundrechte als essenziellen Bestandteil unseres Rechtsstaates müssen im Sinne der Freiheit geschützt werden. Auch, wenn das mit schmerzhafter Unsicherheit verbunden ist. Es braucht „eine Politik gegen das Schüren von Angst, gegen das Instrumentalisieren von Gefahren und vor allen Dingen für Selbstbestimmung in allen Lebenslagen und für so viel Freiheit wie möglich.“

https://www.wbg-wissenverbindet.de/

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Nichtstun in Vollzeit – ein Leben lang

Nichtstun in Vollzeit – ein Traumjob oder die Hölle auf Erden? Ein Kunstprojekt in Göteborg will diese Frage klären. Das Experiment soll zeigen, womit Menschen sich fernab von Lohnarbeit beschäftigen. Auch Nicht-Schweden können sich bewerben.

Die schwedischen Künstler Simon Goldin and Jakob Senneby arbeiten seit 2004 zusammen und haben in einem Ideenwettbewerb der schwedischen Behörde für Kunst im öffentlichen Raum und des schwedischen Verkehrsministeriums gegen weitere Mitbewerber mit ihrer Idee gewonnen.

Das Projekt denkt Arbeit neu. Es soll das Verständnis von Wachstum, Produktivität und Fortschritt auf den Prüfstand stellen. In Zeiten von Automatisierung und künstlicher Intelligenz sei es schließlich möglich, dass „wir bald alle produktiv überflüssig“ sein werden.

Wer schon immer davon geträumt hat, fürs Nichtstun bezahlt zu werden, der kann sich demnächst im schwedischen Göteborg bewerben.

Am U-Bahnhof Korsvägen wird künftig eine Stelle geschaffen, die Bewerbern und Bewerberinnen die Möglichkeit bietet, jeden Arbeitstag lang genau das zu tun, worauf er oder sie Lust hat, bei voller Bezahlung, mit lebenslanger Jobgarantie.
Das monatliche Einstiegsgehalt umfasst 2.046 Euro brutto und wird jährlich an die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst von Schweden angepasst. Es gibt Jahresurlaub und Rentenanspruch. Bewerbungen können allerdings erst ab 2025 eingereicht werden, der Arbeitsbeginn ist 2026, sobald der derzeit im Bau befindliche U-Bahnhof seinen Betrieb aufnimmt. Ein Zweitjob ist untersagt. „Die Position beinhaltet keine Pflichten oder Verantwortlichkeiten.“ Die Arbeit sei das, was der Angestellte tun will. Einzige Aufgabe: Das Nichtstun muss morgens und abends am Bahnhof per Stechuhr dokumentiert werden.

Die völlige Freiheit, zu tun, was man will, eröffne Chancen und Risiken, so Simon Goldin und Jakob Senneby in ihrer Projektbeschreibung: „Der Angestellte könnte von schwerem Boreout betroffen sein, er könnte aber auch seine eigenen Projekte oder kreativen Ideen umsetzen, oder er könnte in einem Zustand ständigen Müßiggangs leben.“ Das Projekt wird mit knapp 580.000 Euro gefördert. Eine Stiftung vewaltet das Geld und legt es so an, dass die Gehaltszahlungen für eine Dauer von etwa 120 Jahren sichergestellt sind. Mehr als genug Zeit also, um sich bewusst zu werden, was man mit seinem Leben anfangen will. Wer keine großen Ansprüche an das Gehalt hat, kann hier tun was er will.

Info: https://statenskonstrad.se/konst/vastlanken-kronotopia/eternal-employment/