
Wer sich dreimal pro Woche im Wald oder Park entspannt, reduziert messbar seinen Stress und fördert die Gesundheit.
Inzwischen gibt es einige Untersuchungen, die die positiven Effekte eines Aufenthalts in der Natur oder speziell eines Waldspaziergangs belegen. Bereits 1984 mutmaßte der schwedische Forscher Roger Ulrich, dass sich möglicherweise allein der Anblick von Bäumen positiv auswirken könnte. Er stellte fest, dass Patienten, die nach einer Operation aus dem Krankenhausfenster auf Grün schauten, weniger Schmerzmittel benötigten und schneller genesen sind.
Eine japanische Studie ergab, dass regelmäßige und ausgedehnte Waldspaziergänge die Zahl der natürlichen Killerzellen im Blut erhöhte, eine Untergruppe der weißen Blutzellen und Teil des menschlichen Immunsystems.
2015 konstatierte der US-amerikanische Umweltpsychologe Marc Berman, dass die Anzahl von Bäumen in einer Wohngegend die Gesundheit der Bewohner beeinflussen kann. Wer in grüneren Gebieten wohnte, litt seltener an Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes. Die Wissenschaftler hatten in dieser Studie auch berücksichtigt und versucht herauszurechnen, dass auch andere Faktoren, wie ein höherer sozioökonomischer Status oder gesunde Ernährung und viel Bewegung, die Gesundheit beeinflussen.
In Japan ist das “Shinrin-yoku”, also das “Baden im Wald”, Teil der staatlichen Gesundheitsversorgung, “Waldmedizin” ist seit 2012 ein eigener Forschungszweig an japanischen Universitäten. Hier wird auch erforscht, welche Faktoren genau für die positiven gesundheitlichen Effekte sorgen. Liegt es allein an der Luft des Waldes, an spezieller Vegetation oder an anderen Faktoren und deren gemeinsamen Auftreten?
Seit 2017 gibt es auch in Deutschland, auf Usedom, einen zertifizierten Kur- und Heilwald.
Jetzt belegt eine neue Studie der US-amerikanischen Universität Michigan (MaryCarol R. Hunter, Brenda W. Gillespie and Sophie Yu-Pu Chen. 2019. Urban nature experiences reduce stress in the context of daily life based on salivary biomarkers. Frontiers in Psychology April 2019), dass schon ein kurzer Spaziergang den Stress deutlich reduzieren kann. Demnach genügen 20 Minuten im Grünen, um das Level an Stresshormonen deutlich zu vermindern.
Die aktuelle Untersuchung hat jetzt ergeben, dass schon 20 bis 30 Minuten in einer Umgebung, die einem ein Gefühl von Natur vermittelt, ausreichen, um effektiv den Cortisolspiegel im Körper zu senken. Cortisol, auch als Stresshormon bezeichnet, wird in der Nebennierenrinde hergestellt und in der Leber abgebaut. Dauerhaft erhöhte Cortisolwerte, etwa durch chronischen Stress, können zu Übergewicht führen, das Immunsystem schwächen und Herz-Kreislauf-Störungen, Depressionen und eine Reihe weiterer Erkrankungen begünstigen.
Die Wissenschaftler der Universität Michigan hatten einer Gruppe von 36 Freiwilligen, darunter 33 Frauen und drei Männer, eine regelmäßige “Naturpille” verordnet: Die Probanden sollten mindestens drei Spaziergänge pro Woche in der Natur unternehmen mit einer Dauer von zehn Minuten oder mehr. Vor und nach den Experimenten entnahmen die Teilnehmer eine Speichelprobe, die sowohl auf die Cortisolwerte untersucht wurde als auch auf die sogenannte Alpha-Amylase. Dieses Enzym stammt aus dem Verdauungstrakt und ist bekannt dafür, dass der Körper es bei Stress vermehrt ausschüttet.
Weil sich die Biomarker physiologisch mit der Tageszeit ändern, wurden diese Tagesschwankungen bei der Berechnung berücksichtigt. Die Probanden durften zudem 30 Minuten, bevor sie die Speichelprobe entnahmen, nicht essen oder trinken, da Nahrungsmittel insbesondere die Alpha-Amylase stark beeinflussen können.
Die Freiwilligen konnten den Tag, die Dauer und den Ort ihres Naturerlebnisses selbst bestimmen, damit es zu ihrem individuellen Lebensstil passte. Sie mussten allerdings einige Stressfaktoren minimieren, wie z.B. keine sportlichen Übungen machen, Social Media, das Internet, Telefonanrufe, Unterhaltungen und Lesen vermeiden”, außerdem sollten die Spaziergänge bei Tageslicht stattfinden.
Bereits nach 20 Minuten Naturerlebnis hatte sich der Cortisolspiegel bei den Probanden deutlich gesenkt. Am meisten reduzierte sich das Stresshormon, wenn die Teilnehmer etwa 20 bis 30 Minuten sitzend oder gehend im Grünen verbrachten. Hielten sich die Teilnehmer noch länger im Freien auf, nahm das Cortisol zwar weiterhin ab, allerdings nicht so stark wie in den ersten 20 Minuten. Bei der Alpha-Amylase war der Unterschied lediglich bei jenen Probanden deutlich messbar, die sich während der Zeit im Freien kaum bewegten, also zum Beispiel auf einer Bank saßen.
Die Forscher hoffen nun, dass ihre Studie die positive Wirksamkeit des Aufenthalts in der Natur unterstreicht. Sie sehen den Aufenthalt im Freien als kostengünstiges therapeutisches Mittel, um die negativen Auswirkungen des Stadtlebens, wie etwa viel Zeit in geschlossenen Räumen und vor Bildschirmen zu verbringen, einzudämmen.
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2019.00722/full